„Mit meinem tastenden Vertrauen bin ich willkommen“

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Jahreslosung 2020: „Ich glaube! Hilf meinem Unglauben!“ (Markus 9,24)

Im Blick auf die Jahreslosung für 2020 hat Kirchenpräsident Martin Heimbucher dazu ermutigt, sich im Glauben nicht zu überfordern. Der christliche Glaube sei „kein Muss, sondern eine Möglichkeit": „Ich darf im Glauben unsicher sein – und dennoch zuversichtlich“, schreibt Heimbucher in einer biblischen Besinnung.

Genau davon erzähle auch die Geschichte, aus der die Jahreslosung stammt: Verzweifelt über die lebensbedrohliche Erkrankung seines Sohnes wendet sich ein Vater an Jesus. Jesus aber weist den Bittsteller zunächst zurück. Heimbucher erklärt: Jesus konfrontiere den Vater, um ihm zu zeigen: „Du bist nicht unmündig in Sachen des Glaubens.“

Dann aber zeige sich Jesus als der, der auf der Seite des Kindes gegen die Krankheit kämpft - „damit das Leben siegt". Damit seien Menschen oft überfordert: „Wir erkennen uns wohl eher in der hilflosen Jüngerschar wieder - auch im Angesicht Jesu noch hin- und hergerissen zwischen Hoffnungslosigkeit und Mut“, meinte Heimbucher.

Glaube dürfe als ein „tastendes Vertrauen" gewagt werden: „Glauben gibt es nicht ohne Anfechtung. Liebe kennt Verunsicherung. Hoffnung erlebt Anflüge der Verzweiflung“, räumt Heimbucher ein. Es sei wichtig, Menschen zu begegnen, die versuchen, aus einem angefochtenen Vertrauen heraus zu leben. Andere Menschen sollten es spüren, dass Christinnen und Christen zu dem gehören, „der die Hilfe Gottes im Namen trägt“.

6. Januar 2020


„Ich glaube! Hilf meinem Unglauben! Zur Jahreslosung 2020


Liebe Leserin, lieber Leser,

die Jahreslosung lädt uns ein, über den Glauben nachzudenken. Über unseren Glauben. Und über unseren Unglauben. Glauben gibt es nicht ohne Anfechtung. Liebe kennt Verunsicherung. Hoffnung erlebt Anflüge der Verzweiflung. Wie gut, dass die Bibel das weiß und davon erzählt! Zum Beispiel in der Geschichte, aus der die Jahreslosung stammt.
Der Vater hat schon viel versucht. – Eine „sprachlose" Krankheit.

„Ich glaube! Hilf meinem Unglauben!“ Das ist ein Schrei. Ein Schrei der Verzweiflung und der Hoffnung. Der Vater hat schon viel versucht, damit sein Sohn gesund wird. Aber immer wieder wird das Kind von Anfällen zu Boden gerissen.

Von klein auf leidet der Junge. Vermutlich ist er an einer schweren Epilepsie erkrankt. Die Anfälle haben ihn oft in Lebensgefahr gebracht: Sie haben ihn „ins Feuer geworfen und ins Wasser“. Die Heilkunde war damals gegenüber solchen Anfällen machtlos. Zur Zeit Jesu glaubten die Leute: „Er ist von einem Geist besessen.“ Auch der Vater sagt: „Er hat einen sprachlosen Geist.“

Mit Epilepsie können wir heute medizinisch umgehen. Aber die Erfahrung des Vaters ist auch uns vertraut: Eine Krankheit überfällt einen Menschen und lässt ihn nicht los. „Sprachlos" – ohne Erklärung. Und sinnlos sowieso. Das kann uns unheimlich werden. Und hilflos machen. Das verstört schon bei einem Erwachsenen. Aber beim eigenen Kind wird es schwer, nicht zu verzweifeln. Was heißt da: glauben?

Jesus konfrontiert den Vater: „Du bist nicht unmündig.“ – Und hilft ihm.

Hilfesuchend hatte der Vater zunächst die Jünger Jesu aufgesucht – vergeblich. Nun wendet er sich an Jesus selbst, stammelnd: „Wenn du etwas vermagst, so hilf uns“. Jesus aber hält dem Vater grob entgegen: „Was soll das heißen: ‚Wenn du etwas vermagst‘?! Alles ist möglich dem, der glaubt!“ Jesus lenkt den Hilferuf zunächst an den Vater zurück: Du bist nicht unmündig in Sachen des Glaubens!

Da bricht es aus dem Vater heraus: Die Angst um sein Kind. Und die Enttäuschung über alle vergeblichen Anstrengungen. Das Wissen um seine Grenzen. Er brüllt: „Ich glaube! Hilf meinem Unglauben!“ All die Verzweiflung, die sich im Lauf der Jahre angesammelt hat, entlädt sich in diesem Aufschrei.

Und Jesus hilft. Demonstrativ. Er nimmt den Kampf mit der Krankheit auf. Nach der damaligen Vorstellung: Er ringt den „unreinen Geist“ nieder, der den Jungen gepackt hat. Nun brüllt auch Jesus: „Stummer und tauber Geist! Ich befehle dir: Fahr aus!“ Gut zu wissen: Jesus widersteht dem „sprachlosen Geist". Jesus kämpft an unserer Seite – damit das Leben siegt.

Zwischen Hoffnungslosigkeit und Mut – ein tastendes Vertrauen.

Nein, das schaffen wir nicht selber. Wir erkennen uns wohl eher in der hilflosen Jüngerschar wieder. Oder in dem Vater, der den Boden unter den Füßen verloren hat. Der mit allem, was ihm geblieben ist, nach Hilfe schreit. Der aber auch im Angesicht Jesu noch hin- und hergerissen ist - zwischen Hoffnungslosigkeit und Mut.
Wie gut, dass der Glaube kein Gesetz ist. Kein Muss, sondern eine Möglichkeit. Kein Entweder–Oder. Sondern ein Vertrauen. Das immer neu gewagt werden darf. Tastend. Ohne die Hand zu sehen, die sich mir entgegenstreckt. Ich darf im Glauben unsicher sein - und dennoch zuversichtlich.

Gerade wenn ich dieses Vertrauen ganz auf den richte, der helfen kann, dann werde ich frei davon, mich selber zu überfordern. Gerade wenn mein Glaube wankt, gerade mit meinem tastenden Vertrauen bin ich willkommen bei dem, der die Hilfe im Namen trägt: Jesus – das heißt: „Gott hilft“.

Wie wichtig ist es für uns, Menschen zu begegnen, die versuchen, aus diesem Vertrauen heraus zu leben. Und wie wichtig ist es auch für die Menschen, die uns begegnen, dass sie spüren: Ja, auch hier ist ein Mensch, dessen Hilfe Gott ist!


Herzlich wünsche ich Ihnen zum neuen Jahr 2020: Bleiben Sie bewahrt, im Zweifel und in der Zuversicht!

Ihr
Martin Heimbucher

 

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